nijonoto hat geschrieben: ↑9. Feb 2022, 12:02
Wir sind gar nicht so weit voneinander entfernt.
Ja, ich glaube wir nähern uns da einander an
Erst mal vielen Dank für die Ausführungen zum Browser-, OS- und Office-Bereich. Da kenne ich mich nur sehr oberflächlich aus, was die historischen Konkurrenzsituationen und das Handeln der einzelnen Player angeht.
nijonoto hat geschrieben: ↑9. Feb 2022, 12:02
Dennoch sind die Methoden, die auf dem Weg in diese Abo-Zukunft Verwendung finden, kritisch zu hinterfragen — vor allem wenn es sich um ein Unternehmen wie Microsoft handelt.
MS hat über Jahrzehnte hinweg äußerst fragwürdige Methoden und Negativ-Kampagnen/Lobbying betrieben, um sein Monopol auszubauen und mit (fast) allen Mitteln zu verteidigen
Da stimme ich dir absolut zu! MS hat da definitiv viel Dreck am Stecken und versucht in ihren Geschäftsbereichen mit aller Macht ihre Marktposition zu stärken. Das sollte und muss man immer kritisch hinterfragen. Es sollte auch nicht so rüberkommen, dass ich MS' Handeln grundsätzlich bzw. in allen Bereichen befürworte, das tue ich definitiv nicht. Immer wenn der Einfluss einzelner Unternehmen auf relevante Lebens- und Gesellschaftsbereiche zu mächtig wird, ist das sehr problematisch. Insbesondere im Digital-Markt, der auch immer mehr Einfluss auf die physischen Märkte hat, sind solche Entwicklungen ja zu beobachten, bspw.:
- Amazon auf unser Konsumverhalten
- Google auf unsere Internetnutzung
- Facebook auf unsere soziale Interaktion und Meinungsbildung
- MS im Enterprise- und Consumer-Markt von OS- und Office-Software
- Amazon, MS und Google bei der zu Grunde liegenden IT-Server-Infrastruktur
Das sehe ich alles ebenfalls sehr, sehr kritisch. Ich hatte mich bei meiner Argumentation aber rein auf den Gaming-Markt, dessen Strukturen und mögliche zukünftige Entwicklungen beschränkt. Und da sehe ich auch langfristig nicht so eine Machtkonzentration wie in den anderen genannten Bereichen. Grundsätzlich würde ich zwischen zwei Extrem-Szenarien im Gaming-Markt unterscheiden, deren Wahrscheinlichkeit man dann anhand der aktuellen Rahmenbedingungen und Entwicklungen bewerten kann:
- Worst-Case: Ein einzelnes Unternehmen, bspw. MS, nimmt eine (Quasi-) Monopolstellung im Gaming-Markt allgemein bzw. im Abo-Markt speziell ein.
In diesem Szenario stimme ich vielen Befürchtungen zu. MS könnte/ würde diese Machtposition ausnutzen, um den Markt nach den eigenen Vorstellungen zu steuern, Konkurrenten auszugrenzen und den Preis zu bestimmen.
- Best-Case: Es entwickelt sich ein (Massen-) Markt, in dem 3-5 große Plattformbetreiber weitgehend gleichberechtigt nebeneinander co-existieren können. In diesem Szenario entsteht also eine (gesunde) Konkurrenzsituation, die u.a. auch dazu führt, dass die einzelnen Anbieter sowohl bei der Qualität ihrer Produkte als auch bei der Preisgestaltung konkurrenzfähig bleiben müssen, um die potentiellen Kunden von ihrer Plattform überzeugen zu können. In diesem Markt sehe ich dann auch weiterhin Platz für unabhängige/kleinere Entwickler/Publisher, die ihre Produkte auf den großen Plattformen anbieten oder Angebote für Nischen- bzw. Spezialinteressen liefern.
Wenn ich mir den aktuellen, trotz Konsolidierungen immer noch sehr diversen, Gaming-Markt anschaue und potentielle neue Player mit einbeziehe, halte ich das zweite Szenario tendenziell für realistischer. Und man sollte IMO auch die Macht von (finanziell) kleineren, aber etablierten, Gaming-Unternehmen wie Sony und Nintendo nicht unterschätzen, allein aufgrund der (immateriellen) Vermögensgegenstände im Gaming-Bereich wie langlebige IPs, Backlog und funktionierende Studiostrukturen. Wenn sich diese Unternehmen strategisch richtig aufstellen, haben sie IMO gute Chancen auch zukünftig eine starke Rolle im Gaming-Markt zu spielen, auch wenn sich die Verhältnisse verschieben sollten.
Daneben gibt es dann auch potentiell neue Player wie Amazon, Google, Apple, Facebook oder Netflix, die zum Teil ähnlich finanzstark sind wie MS und massiv investieren können. Wenn sich diese Unternehmen im Markt etablieren sollten, ergeben sich daraus natürlich wieder kritikwürdige Aspekte, da dies Unternehmen sind, die in anderen Bereichen bereits sehr mächtig sind und diese Macht mit dem Gaming weiter ausbauen können. Das ist ebenfalls problematisch, wäre aber eben auch kein Monopol, bei dem eines dieser Unternehmen den Gaming-Markt bestimmen könnte. Im reinen Gaming-Bereich sehe ich eine Machtkonzentration, wie sie in anderen Bereichen möglich ist, als eher unwahrscheinlich an.
nijonoto hat geschrieben: ↑9. Feb 2022, 12:02
Es gibt nichts Mächtigeres als „Standards“ und große Netzwerkeffekte (siehe Meta-Monopol mit Facebook, Instagram und WhatsApp) — selbst mittelgroße Wettbewerber haben in dieser Welt keine Chance mehr.
Auch da stimme ich dir vollkommen zu! Aber ich sehe schon signifikante Unterschiede bei der Art von Dienstleistungen bzw. Produkten, in denen ein Monopol allein aufgrund ihrer Strukturen relativ "einfach" möglich ist, und auf Diversität ausgelegten Produkten wie im Gaming. Bspw.:
- Social Media: Aus Sicht der Kundennutzung ist es "sinnvoll", dass alle Nutzer auf der gleichen Plattform sind. Niemand möchte 5 verschiedene Plattformen nutzen, um mit allen seinen Bekannten in Verbindung zu bleiben. Rein aus Kundeninteresse ergibt eine Bündelung also Sinn.
- OS/Office: Auch hier macht eine Bündelung aus Kundensicht Sinn. Alle Produkte sind aufeinander abgestimmt, reibungsloser und einfacher Ablauf/ Konnektivität, es gibt (idealerweise) keine Kompatibilitätsprobleme aufgrund verschiedener Software/Codecs/Dateiformate, usw.
Allein von der Art der Nutzung sind das alles Dienstleistungen/ Produkte, die man nur "einmal" braucht. Sobald man ein funktionierendes OS/Office hat, braucht man als Endnutzer ja kein weiteres mehr (bis eine neue Version erscheint), der Bedarf ist gedeckt. Wenn man alle seine Freunde auf einer Social-Media-Plattform hat, gilt ähnliches. Standards und Netzwerkeffekte, wie du sagst. In diesen Bereichen ist es IMO deutlich einfacher, u.a. mit enormer Finanzkraft, Konkurrenten aus dem Markt zu drängen.
Bei (Unterhaltungs-) Medien wie Gaming, bei denen jeden Tag/Monat neue Produkte erscheinen, die je nach individuellen Präferenzen ganz verschiedene Zielgruppen ansprechen, ist die Art der Nutzung doch eine komplett andere. Eine wie oben beschriebene Monopolstellung wäre erst möglich, wenn (nahezu) alle Spiele auf einer einzigen Plattform bzw. in einem Abo gebündelt wären. Dann könnte MS seine Finanzkraft effektiv einsetzen, um die Konkurrenten aus dem Markt zu verdrängen. Solange man bspw. aber Spiel A nur bei MS, Spiel B nur bei Sony, Spiel C nur bei Amazon usw. bekommt (vereinfacht gesagt), halte ich eine solche Entwicklung für eher unwahrscheinlich. Hier finde ich den Vergleich zum Video-Streaming-Markt ganz passend. Einige Jahre war Netflix der Vorreiter und klarer Marktführer, viele befürchteten ein Monopol, mittlerweile gibt es 3-4 sehr große Anbieter (NF, Amazon, Disney, HBO, plus Tencent in Asien) für den Massenmarkt, die sich aufgrund ihrer Exklusiv-Inhalte voneinander abheben und nebeneinander co-existieren können. Dazu gibt es weiterhin Platz für kleinere (kostengünstigere) Anbieter. Eine ähnliche Entwicklung kann ich mir im Gaming sehr gut vorstellen.
Bei der Gesamtbetrachtung großer, mächtiger Konzerne bin ich grundsätzlich vollkommen bei dir. Diese Entwicklung sehe ich ebenfalls sehr kritisch. Rein auf den Gaming-Markt und dessen zukünftige Entwicklung bezogen, sehe ich aber nicht die Gefahr einer Monopolstellung, weder von MS noch einem anderen Konzern.
Was ich mir aber vorstellen könnte, das hat Jochen im Podcast angesprochen: Die mögliche Vision von MS, wie sie sich ein "Metaverse" vorstellen, nicht im Sinne von Facebook als digitaler Raum als Ersatz zur "echten Welt", sondern als (Abo-) Schnittstelle zwischen einzelnen MS-Produktgruppen, bspw. Gaming, Filme, Musik, Office, Cloud zusammen in einem Paket. Was die Marktpositionierung von MS als Gesamtunternehmen angeht, ist das kritisch zu betrachten, wenn dieser Plan aufgehen sollte. Aber rein auf Gaming (oder auch Filme) bezogen würde es auch dann weiter starke Konkurrenz geben, die explizit diese Bereiche abdeckt. Als "Metaverse-Abo" könnte MS dann womöglich eine führende Position einnehmen, was definitiv kritikwürdig wäre, in den einzelnen Bereichen (abseits von Office) aber auch keine Monopolstellung.