Andre Peschke hat geschrieben: ↑8. Aug 2022, 11:40
Otis hat geschrieben: ↑8. Aug 2022, 09:25
Nur wie gesagt, praktisch stellt sich so die Frage, was denn dann bitte
keine Power Fantasy ist.
Letztlich kann auch rauskommen, dass einfach alle Spiele eine Machtfantasie sind. Das ist vielleicht einfach inhärent, wenn ein Medium darauf aus ist, dich Dinge jenseits des Alltags erleben zu lassen.
Auch wenn sicherlich jeder Spieler subjektiv ein anderes Empfinden davon haben wird, was für ihn selbst eine Machtfantasie darstellt (siehe meine Diskussion oben mit Jochen) und damit theoretisch so gut wie jedes Spiel potenziell erst einmal eine Machtfantasie darstellen kann, glaube ich schon, dass man durchaus noch einige Parameter anlegen kann, um herauszufinden, ob der Begriff der Power-Fantasy tatsächlich greift, und da geht es mir nicht nur um den Begriff Macht, sondern auch um den Begriff Fantasie, der bisher ein wenig zu kurz kommt.
Einen möglichen Parameter hab ich weiter oben schon genannt: Das Spiel sollte es aus meiner Sicht auch schaffen, dieses Gefühl von Machtausübung auf den Spieler zu transportieren. Ich mag es beispielsweise in Rollenspielen durchaus auch ab und an (wenn es zu meinem Charakter passt oder wenn das Kampfsystem nicht wirklich Spaß macht), Konflikte oder Herausforderungen gewaltfrei zu lösen. Wenn ich das jedoch schaffe, indem ich einfach nur eine Dialogoption auswähle, die mir nur deswegen zur Verfügung steht, weil ich einen entsprechenden Perk gewählt oder ein Attribut auf einen bestimmten Wert gelevelt habe, dann fühle ich mich dadurch nicht mächtig. Ganz anders sieht das aus, wenn ich in einem Spiel zum Beispiel mit dem eigenen Hirnschmalz ein Rätsel lösen kann.
Ein zweiter Parameter könnte es aus meiner Ansicht aber auch sein, zu fragen, wie man die jeweiligen Herausforderungen meistert. Wenn ich stundenlang an so einem Rätsel festhänge und dann irgendwann auf die Lösung komme, vielleicht sogar durch Zufall, Ausprobieren oder Glück, dann fühle ich mich danach nicht wirklich mächtig. Ganz anders sieht es aus, wenn ich ganze Rätselketten in Windeseile löse, weil ich die Systeme hinter den Rätseln sofort durchschaue. Dieser Dominanzgedanke spielt auch in meinem ersten Beispiel mit der Levelphase in Lost Ark eine Rolle. Ich dominiere jedes einzelne Gefecht, meine Gegner sind chancenlos. Das ist der Stoff, aus dem Fantasien gestrickt werden!
Deswegen wäre zum Beispiel ein From-Software-Spiel für mich persönlich keine funktionierende Power-Fantasy. Dort bekomme ich in den Kämpfen immer mal wieder aufs Fressbrett, stecke Niederlagen ein, erkämpfe mir jeden Sieg hart. Klar, die Siege fühlen sich dann toll an, doch fühle ich mich nach einem Wipefest mit zig Toden trotz des Sieges nicht wirklich mächtig.
Ich würde den Begriff Fantasie im Kontext der Machtfantasien in Spielen auch nicht nur nutzen, um die Taten in Spielen, durch die wir uns wirkmächtig fühlen, von denen in der Realität abzugrenzen, sondern auch, um gezielt herauszuheben, dass man in einem Spiel mit funktionierender Power-Fantasy Dinge auf eine Art meistert, wie es in anderen Spielen normalerweise nicht der Fall ist, eben weil man in diesem Bereich dominiert und sich tatsächlich nicht nur mächtig, sondern regelrecht übermächtig fühlt.
Wegen all diesen Punkten ist Lost Ark für mich eine Spiel gewordene Power-Fantasy, viele andere Action-RPGs jedoch nicht. Aufgrund dieser Punkte spüre ich bei einem Walking-Simulator mit Spaziergang- und Erkundungs-Gameplay 0,0 Power-Fantasy, wenn ich mich jedoch als Spidey durch die Häuserschluchten schwinge, geht mir einer ab (metaphorisch).
Oder gibt es hier jemanden, der in einem Dear Esther oder Vanishing of Ethan Carter beim Spielen Power-Fantasy-Vibes verspürt?