Ich hab das Spiel nach 48h beendet. Ich habe so gut wie alle Nebenquests gemacht, bereits fünf Berserker besiegt und in Muspelheim die ersten neun Herausforderungen gemacht. Das Spiel sagt einem nach (!) dem Ende, dass das eigentlich Post Game Content ist. Ich hatte trotzdem Spaß an der Herausforderungen, die die Gegner auf niedrigerem Level bedeutet haben.
Insgesamt bin ich mit dem Spiel zufrieden, aber es gibt doch einiges an Kritikpunkten, gerade weil sich das Spiel zu wenig vom Vorgänger unterscheidet und dessen Probleme nicht ausmerzen kann.
Mir hat aber wieder mal das Kampfsystem gefallen, auch wenn es heillos überladen ist. Aber es ist immer noch wuchtig, gut lesbar und bietet viele verschiedene Möglichkeiten der Herangehensweise und Individualisierung. Es funktioniert nach 50h noch, auch wenn man sagen muss, dass ich am Anfang etwas überfordert war. Da war die Lernkurve im ersten Teil besser, da es nur die Axt gab.
Die dritte Waffe fand ich leider auch nicht so gut. Das mag was persönliches sein, aber ein Speer ist einfach nicht so brachial und es fühlte sich nie so befriedigend an, wie mit den beiden anderen Waffen.
Die Bosse waren aber durch die Bank top. Hat man Teil 1 noch dafür kritisiert, dass es quasi nur Trolle gab, so bin ich hier sehr zufrieden. Es gibt eine große Varianz und gerade die Kämpfe gegen die Götter waren toll inszeniert. So hätte ich mir das schon in Teil 1 gewünscht.
Bei der Geschichte bin ich etwas zwiegespalten. Einerseits hat das Spiel grandiose Momente, zwischenmenschliche Aspekte werden toll eingefangen und es wird der ein oder andere Twist geboten. Allein die Szene in Alfheim, als Kratos auf das Licht zugeht. Was man da alles allein in der Mimik sieht. Oder der Familienstreit im Hause Thor. Oder diverse Momente zwischen Kratos und Atreus. Wirklich ganz toll gemacht. Da spielt das Spiel in der aller obersten Liga mit.
Aber insgesamt ist mir die Geschichte zu zahm. Kratos ist größtenteils ein vorbildlicher Vater, findet fast immer die richtigen Worte, entschuldigt sich passend, erklärt seine Gedanken/Motive und unterstützt und vertraut Atreus, auch wenn es dafür keinen Grund gibt, außer "Er ist mein Sohn". Das ist alles sehr gut geschrieben, passt aber nicht mehr ganz zu Kratos, wie wir ihn kannten. Man könnte sagen, er ist weich oder altersmilde geworden.
Atreus Geschichte ist die eines kleinen Rebellen. Aber er rebelliert nur ein wenig, nie so richtig. Dazu kommt, der Vater-Sohn Konflikt wird schlecht erklärt (oder ich habe ihn nicht richtig verstanden).
Atreus will mehr über seine Herkunft herausfinden (verständlich), schreckt vor Krieg mit Odin nicht zurück (weniger verständlich), weil er Odin hasst (warum, wurde imo auch nicht gut hergeleitet, gerade weil ich den Vorgänger nicht mehr gut im Gedächtnis habe). Dann rennt er irgendwann noch nach Asgard, weil er alles besser weiß. Teenie halt.
Entsprechend war ich auf Kratos Seite, konnte Atreus Motive nicht immer nachvollziehen und er hat mich zwischenzeitlich sogar genervt. Das Ganze löst sich dann aber wiederum zu schnell auf, weil Kratos immer nachgibt und es Atreus am Ende alles verzeiht.
Grundsätzlich fand ich die Entwicklung der beiden in Teil 1 wesentlich stimmiger. Zu sehen, wie Kratos langsam auftaut. Wie auch Atreus in seine Rolle hineinwächst. Dann die Enthüllung, dass er ein Gott ist. Dass er damit erstmal nicht klar kommt. Das war eine richtige Charakterentwicklung und zwar bei beiden. Hier entwickelt sich nur Atreus. Und das auch noch in die falsche Richtung. Ja, Pubertät ist schwierig und das wollten sie darstellen. Aber die Geschicht hat das Problem, dass sich beide vorher blendend verstanden haben. Und jetzt müssen das die Autoren wieder einreißen, um es am Ende kitten zu können. Das ist als Geschichte für den Zuschauer unbefriedigend.
Genauso, wie der Konflikt mit Freya.
Sie klang wirklich unnachgiebig ihn ihrem Wunsch nach Rache. Und dann reicht ein gemeinsamer Ausflug mit Kratos und alles ist halb gut und 2h Spielstunden später hört man ihre Vorwürfe gar nicht mehr. Am Ende sind sie gefühlt beste Freunde. Das war zu einfach. Andererseits bin ich froh, dass die Phase, in der sie nur pampig war und Kratos nicht töten wollte, nur so kurz war. Denn da ging sie mir wahnsinnig auf den Keks.
Was aber immer noch super funktioniert, sind Brok und Sindri und ihr Zusammenspiel mit Kratos und Atreus. Und auch Mimir kann mit seinen ständigen Kommentaren im eigentlichen Spiel nerven, ist aber ein grundsympathischer Charakter.
Fazit zur Geschichte der "Gefährten": das Spiel nutzt das durchaus vorhandene Konfliktpotential zu wenig und gerade Kratos ist viel zu lieb geworden.
Die große übergreifende Geschichte hat so einige Pacing Probleme und kann mir über weite Strecken nicht richtig erklären, was sie von mir will. Das fängt schon damit an, dass es kein konkretes Ziel für den Spieler gibt. Warum soll Kratos und Atreus Ragnarök kümmern, was ist das überhaupt und warum wurde es eingeleitet. Und lange kümmert Ragnarök die beiden auch nicht ...
bis auf diese Prophezeiungen. Die dann doch niemand glauben will und dann wieder doch und am Ende ist es schließlich egal, weil unsere Helden ihren eigenen Weg gegangen sind. Nur dass der sich kaum von der Prophezeiung unterscheidet. Warum sie nicht eintritt, wird nicht erklärt und ist am Ende auch nicht so wichtig. Dass Kratos nicht stirbt, mag ich den Entwicklern noch nachsehen. Aber eine clevere Auflösung der Prophezeiung, wie in den antiken Heldensagen, mit Moral und/oder einer Umdeutung, was eigentlich gemeint war, gibt es nicht.
Und als dann Ragnarök eingeleitet wird, hat man zig Stunden davor noch diversen anderen Sammelkram und lauter unwichtige Aufgaben erledigt und entscheidet sich dann doch recht plötzlich, dass man in den Krieg zieht, obwohl es lange davor kein Thema war. Die dringlichkeit wird nie deutlich und das Motiv ist am Ende "nur" der Mord an Brok.
Im Zuge dessen werden in kürzester Zeit Völker vereinigt und Armeen aus dem Boden gestampft, als sei es gar nichts. Andere Spiele widmen diesem Umstand mehrere Questreihen. Und dann kommt es zum Krieg und man sieht zwei Kriegsmaschinen, ein paar Elfen und das war es. Eine wirkliche Armee wird nicht gezeigt. Und wozu brauchte man den Riesen Ragnarök, wenn doch Atreus und Kratos sowie Sindri mit der Schwachstelle in der Mauer ausreichen, um Odin zu erledigen. So spektakulär das alles inszeniert war, es war zu einfach. Es gab noch nicht mal den obligatorischen Rückschlag kurz vor Ende. Also einen richtigen Rückschlag, nicht das bisschen, was sie hier den Helden in den Weg werfen und wo sie mehr oder weniger elegant drüber springen, anstatt sich einen anderen Weg suchen zu müssen.
Dazu kommen im Verlauf der Geschichte viele Passagen, die einfach zu lange sind und das Tempo voll rausnehmen. Langsamere Passagen tun dem Pacing gut, aber hier hat man es zum Teil übertrieben. Dazu kommen diverse Handlungsstränge, die man hätte einfach kürzen müssen. Es gibt sicher auch Leute, die froh über den Umfang sind und auch ich habe z.B. das letzte offene, aber optionale Gebiet gerne gespielt. Aber die Entscheidung, es kurz vor das Finale zu setzen und die 3 Gebiete, aus denen es bestand auch nach aneinander zu setzen, erschließt sich mir nicht. Warum nicht schon früh als optionales Gebiet präsentieren und den Spieler im Spielverlauf immer mal wieder mit neuen Items hinschicken und sich neue Gebiete erschließen lassen? Ich habe da bestimmt 3-4h mit Zeug verbracht verbracht, das nichts zur Story beiträgt und das kurz vor Ende. Das hat im Sinne der Dramaturgie so nicht gut reingepasst.
Was ich aber mag, sind die neuen Figuren, allen voran Odin. Top geschrieben und noch besser vertont. Eine Mischung aus Mafiaboss, vergesslicher Professor und und dem netten Onkel von nebenan. Eigentlich waren die ganzen Asen super, Heimdall, Thor, Thrud. Da fährt das Spiel voll auf. Und auch als gegen Ende
Brok stribt, ging mir das wirklich nahe, genauso wie Sindris Reaktion. Toller Moment. Der Twist mit Tyr war auch cool. Nur wenn man darüber nachdenkt, passt es für mich nicht. Wie kann Tyr denn seine doch recht langen Abwesenheiten erklären. Und wieso bemerkt niemand den Raben? Aber gut, in dem Moment, als es passierte, war ich baff. Insofern Ziel erreicht.
Über die schlauchigen Level, Kisten an jeder Ecke und generell das daraus resultierende unnatürliche Leveldesign, habe ich mich vorher schon ausgelassen. Was mich am Ende war wirklich gestört hat, ist die Tatsache, dass es diverse Aufgaben gibt, die man erst im Post Game abschließen kann und dass das dem Spieler nicht klar kommuniziert wird. Da gibt es unentdeckte Dinge auf der Karte, die man aber gar nicht finden kann, da sie erst im Post Game kommen. Oder die Prüfungen in Muspelheim. Die waren cool, haben mich motiviert. Und dann muss man für die restlichen Prüfungen, die ersten ständig noch mal wiederholen. Wer denkt sich sowas aus?
Ich mag aber grundsätzlich den Post Game Content. Da wird noch mal richtig was geboten und da werde ich mich noch dran versuchen.
Und hatte ich erwähnt, dass das Spiel zum Teil wirklich toll aussieht? Klar, hier und da merkt man die PS4 Herkunft deutlich. Aber insgesamt ist es auf einem hohen Niveau.