Feierabendbier: Nora Beyer

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Felidae
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Re: Feierabendbier: Nora Beyer

Beitrag von Felidae »

Andre Peschke hat geschrieben: 12. Apr 2023, 13:53 Mir ging es um das Ausgangsposting von Anne, die ja schrieb

"Als Linguistin überrascht es mich immer noch, dass die Wirkung von inklusiver Sprache überhaupt noch hinterfragt wird. Dass es individuell unterschiedliche Meinungen zur Durchführung gibt, ist klar. Aber dass generell bezweifelt wird, dass das etwas bringt? Erstaunlich. "

Und IMO kann man bezweifeln, dass das etwas bringt (in relevantem Maße). Und da Anne vom Fach zu sein scheint hat mich interessiert, ob sie diesen Einwand ausräumen kann.
Soviel ich weiß, ist belegt, dass genderneutrale Berufsbezeichnungen mehr Mädchen/Frauen in diese Berufe gehen lassen als männliche Bezeichnungen. Aber da weiß Anne hoffentlich mehr dazu.
Master_Studie_Anne
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Re: Feierabendbier: Nora Beyer

Beitrag von Master_Studie_Anne »

Linguistische Forschung allgemein ist aber auch relativ jung (gerade im Vergleich zu anderen Wissenschaften). Auch das Subjekt "Sprache" macht es nicht leicht, weil man Sprache eben nicht isoliert betrachten kann und so einfach sehr undurchsichtige Co-Variablen hat. Wir bräuchten "Kasper-Hauser"artige Versuchspersonen, die komplett abgeschottet aufgewachsen sind, genau eine Sprache gelernt haben, keinen Sprachkontakt hatten und das dann noch mit mehreren Vergleichs- und Kontrollgruppen mit anderen Sprachen und sozial-politischen Systemen über Jahrzehnte hinweg. Das wäre schon cool, aber auch ethisch untragbar. Von daher ist es schwer, der allgemeinen linguistischen Forschung vorzuwerfen, dass sie nicht so funktioniert, wie z.B. medizinische Forschung. Auch bin ich ja einfach nur eine Linguistin mit Fokus auf Phonetik und Kognition, mit Sozio-Linguistik habe ich leider wenig zu tun. Dass inklusive Sprache etwas positives bringt, ist aber belegt und zumindest diesen Einwand kann ich ausräumen.
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Blaight
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Re: Feierabendbier: Nora Beyer

Beitrag von Blaight »

Andre Peschke hat geschrieben: 12. Apr 2023, 13:53
Finde ich als Vergleich sehr schwierig. Die Datenlage für Masken war erheblich besser, als für das Gendern. Mal ganz abgesehen davon, dass wir von einer erheblich "härteren" Wissenschaft sprechen. Die Dispersion von Partikeln im Labor mag am Ende völlig anders aussehen, als in freier Wildbahn, aber die Messinstrumente sind erheblich eindeutiger, als das Selbstvertrauen eines achtjährigen Mädchens später einen männlich kodierten Beruf zu ergreifen, anhand von Selbstauskunfts-Markern auszurechnen.

Andre
Fühlt sich für mich vergleichbar an, was den Aufwand und den potentiellen Nutzen anbelangt.
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Terranigma
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Re: Feierabendbier: Nora Beyer

Beitrag von Terranigma »

Andre Peschke hat geschrieben: 12. Apr 2023, 12:21Oder ist die Prämisse falsch und es gibt es keine Sprache, die von Haus aus wirklich geschlechtsneutrale Sprache wirklich gut genug abbildet?
Japanisch ist so'n Fall. Das grammatische System unterscheidet nicht zwischen Singular-Plural, Person sowie Genus, d.h. im Hinblick auf das sprachliche System ist dies eine - je nachdem wie man das nun auch nun genau beurteilen will - sehr geschlechtsneutrale Sprache, d.h. beispielsweise die Berufsbezeichnungen 医者 isha können Arzt, Ärztin, Ärzte oder auch Ärztinnen bezeichnen. Vereinzelt gibt es durchaus Berufe, in denen das Geschlecht in der Berufsbezeichnung angegeben ist, z.B. bei 看護婦 kangofu Krankenschwester bezeichnet das Kanji 婦 fu eine weibliche Person. Allerdings werden z.B. in Gesetzestexten auch hier geschlechtsneutrale Varianten mittlerweile bevorzugt. Abgesehen von diesen Einzelfällen unterscheidet das sprachliche System bei Berufsbezeichnungen nicht zwischen Geschlechtern.

... das sagt wiederum allerdings auch wenig aus, weil Geschlechtlichkeit auch auf andere Sprachebene - insb. der Pragmatik - ausgedrückt werden kann. Hier ein ganz banales Beispiel aus dem Deutschen, wie insb. Mädchen und Jungen - ich höre das täglich in der Schule - unterschiedlich kommunizieren: Mädchen tendieren erkennbar (!) dazu bei Unsicherheiten ihre Sätze mit einer Einleitung alâ "Ich bin mir nicht sicher, ...", "Ich weiß nicht, ob das richtig ist, ...", "Ich glaube, das ist falsch ..." einzuleiten, was Jungen im Vergleich sehr selten tun. Diese Verhaltensweisen dürften sozialisiert sein. Rückgriff auf Japanisch, das auf dem ersten Blick sehr geschlechtsneutral wirkt: gerade im sprachlichen Bereich der Pragmatik reden Männer und Frauen sehr (!) unterschiedlich, und es gibt recht klare Vorstellungen davon, wie ein Mann und wie eine Frau klingt. In der Welt der Berufsbezeichnungen ist dies wiederum nicht zu finden.


Will sagen: es ist kompliziert. :D
Allerdings ist der Vergleich des Deutschen - einer sehr kleinkarierten Sprache, die allerlei Merkmale doppelt und dreifach codiert - mit einer geschlechtsneutraleren Sprache auch nicht unbedingt hilfreich, da die zentrale These nicht lautet, dass eine geschlechtsneutrale Sprache zu einer geschlechtsneutralen Gesellschaft führe, oder dass eine geschlechtsneutrale Gesellschaft zu einer geschlechtsneutralen Sprache mündet. Meines Verständnisses nach lautet die These: ein sprachliches System sehr geschlechtspezifisch gepolt ist - was z.B. das Deutsche ist - hat es auf die sprachliche Wahrnehmung insofern einen Einfluss, ob ich Männer und Frauen explizit addressiere oder nicht. Der Vergleich mit geschlechtsneutraleren Sprachen im Bereich der Morphologie (Wort- und Formbildung) mit geschlechtsneutraleren Sprachen wie z.B. Japanischen führt hier nicht weit, weil es im Japanischen überhaupt keine analoge Möglichkeit gibt Berufsbezeichnungen als männlich und weiblich zu codieren.


Davon allerdings abgesehen: Wie stark der Einfluss von geschlechtsneutraler Sprache für z.B. Berufsbezeichnungen im Deutschen ist, erscheint mir auch nicht so evident wie im Thread behauptet. Die Problematik der Beweisführung liegt grundlegend darin, wie die wiss. Forschung hier arbeitet, nämlich zumeist in Laborsituationen oder künstlich hergestellten Situationen, in denen externe Faktoren - die in der Realität da draußen aber zeitgleich wirken - möglichst eliminiert werden sollen, z.B. bei Assoziationstests mit Probanten, bei denen diese ohne weiteren Kontext beim Hören eines Wortes (z.B. Autofahrer, Krankenschwestern, Arzt, Arbeitnehmer) sagen sollen, ob diese hierbei an Männer, Frauen, Männer/Frauen denken. Allerdings sind mir keine Studien bekannt die nachweisen, inwiefern geschlechtsneutrale Berufsbezeichnungen tatsächlich die Berufswahl beeinflussen. Diese Beweisführung dürfte aber auch schwer zu erbringen sein, da ist man im Kern bei derselben Problematik welche die gesamte Wirkungsforschung hat. Grundsätzlich erscheint es mir aber plausibel anzunehmen, dass es einen Wirkungszusammenhang zwischen (a) sprachlicher Bewusstheit - z.B. Männer und Frauen explizit addressieren - und (b) Handeln im Kontext dieser Bewusstheit gibt. Aber das ist dann auch nur Plausibilität. Allzu hoch würde ich den Effekt auch nicht einschätzen, auch wenn er wohl existiert. Allerdings würde ich soziale Themen grundsätzlich vorrangig unter einer sozialen und nicht linguistischen Perspektive betrachten, und würde wenn hier mit der Kritik ansetzen, dass die Linguistisierung von sozialen Problematiken diese im worst case verdeckt, weil aus sozialen Problemen - das Denken in Frauen- und Männerberufen mit entsprechenden Prestige und Gehalt - sprachliche Probleme gemacht werden, welche sich auch zuerst dort lösen ließen.

So gesagt: Japan ist conversative as shit, obwohl die Sprache im Herzen ein geschlechtsneutrales Utopia ist. Die Probleme einer Gesellschaft sollte man denke ich zuerst dort angehen, nicht in der Sprache. Dass die Sprache ein Puzzlestück sein kann, das erscheint mir plausibel und von der löchrigen Wirkungsforschung zumindest nicht negiert. Aber ich würde schauen die Bedeutung der Sprache nicht zu hoch zu hängen. Tiefhängende Früchte wie geschlechtsneutrale - hier: Männer und Frauen nennen - Berufsbezeichnungen wiederum sind derart naheliegend, die sollte man mitnehmen. Was heutzutage ja auch mehr und mehr Standard wird.
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Andre Peschke
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Re: Feierabendbier: Nora Beyer

Beitrag von Andre Peschke »

Blaight hat geschrieben: 12. Apr 2023, 14:35 Fühlt sich für mich vergleichbar an, was den Aufwand und den potentiellen Nutzen anbelangt.
Hmmm...finde ich auch nicht.

Maske: Reduziert die Gefahr eine für manche Menschen tödliche Infektion weiterzugeben und/oder selbst einzufangen
Gendern: Erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen einen männlich kodierten Beruf ergreifen. Erhöht ggf das Zugehörigkeitsgefühl der inkludierten Gruppen.

Die Stakes bei den Masken sind da einfach erheblich höher und die Wahrscheinlichkeit, dass das positive Ergebnis eintritt ist beim Gendern IMO erheblich niedriger (einfach aufgrund größerer Ungewissheit und geringerer Forschungsaktivität in dem Feld allgemein).

Also, mal für's Protokoll: Ich bin bei Stellenanzeigen absolut auch im Team "lass einfach mal machen". AFAIK ist das aber auch der Status-Quo, oder?

Ich diskutiere hier "dagegen", weil ich mir von den Antworten erhoffe, dass sie meine eigene Position auch nochmal schärfen. Ich bin fühle mich da nach wie vor sehr unsicher und habe da keine wirklich klare Haltung entwickelt. Ich tendiere aber dazu zu glauben, dass der Nutzen am Ende nicht all die Energie rechtfertigen wird, der in die Genderdebatte fließt. Ich würde vermuten, wenn wir morgen konsequent alles durchgendern wird sich fast nichts ändern für die Situation von Frauen/Diversen in Deutschland.

Aber ich bin da sehr wackelig.

Andre
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Desotho
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Re: Feierabendbier: Nora Beyer

Beitrag von Desotho »

Darüber zu diskutieren und den gedanken in die Welt zu setzen ist der erste Schritt.

Als damals die ersten Diskussionen zu "Zigeunersauce" und "Mohrenkopf" aufkamen war ich auch der Meinung dass das ja gar nicht schlimm gemeint ist und die sich mal einkriegen sollten. Mit der Zeit hat sich da meine Meinung geändert.
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Blaight
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Re: Feierabendbier: Nora Beyer

Beitrag von Blaight »

Andre Peschke hat geschrieben: 12. Apr 2023, 14:43 Ich würde vermuten, wenn wir morgen konsequent alles durchgendern wird sich fast nichts ändern für die Situation von Frauen/Diversen in Deutschland.

Aber ich bin da sehr wackelig.

Andre
Ich denke auch nicht, dass das ad hoc die großen Veränderungen nach sich ziehen würde.

Mein Eindruck ist, dass die Verwendung von bspw. homophoben Beschimpfungen in den letzten 10-15 Jahren derart an Salonfähigkeit verloren hat, dass auch die gesellschaftliche Position sich deutlich verbessert hat. Ich will da keine Kausalität unterstellen, es erscheint mir jedoch durchaus vorstellbar, dass die sprachliche Sensibilisierung echte Konsequenzen hat.

Es gehören ja auhc noch andere Aspekte unserer Alltagssprache dazu:

https://www.schilder-versand.com/verkeh ... xoQAvD_BwE

Gehwege werden piktographisch mit einer Frau, die ein Kind begleitet, symbolisiert. Auch sowas bekräftigt möglicherweise Rollenbilder, die wir eigentlich auflösen wollen.

Ich habe mal eine OnlineDiskussion darüber mitbekommen, wieviel es einigen Dunkelhäutigen bedeutet hat, dass sie endlich Pflaster in ihrer Hautfarbe kaufen können.

Manchmal sind es die unscheinbarsten Dinge, die betroffenen Personen viel bedeuten.

Sorry, dass ich etwas wirr schreibe, ich schramme hier die ganze Zeit an einer Migräne lang.
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Andre Peschke
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Re: Feierabendbier: Nora Beyer

Beitrag von Andre Peschke »

Desotho hat geschrieben: 12. Apr 2023, 14:59 Darüber zu diskutieren und den gedanken in die Welt zu setzen ist der erste Schritt.

Als damals die ersten Diskussionen zu "Zigeunersauce" und "Mohrenkopf" aufkamen war ich auch der Meinung dass das ja gar nicht schlimm gemeint ist und die sich mal einkriegen sollten. Mit der Zeit hat sich da meine Meinung geändert.
Ist halt immer die Frage, was das Ziel sein soll. Bei sowas wie Zigeunersoße ist direkt einsehbar, dass man halt auch kein Schwuchtelschnitzel verkaufen sollte, weil es aktiv verletzend ist.

Beim Gendern ist halt Teil der Diskussion eben oft, dass es aktiv gegen Diskriminierung wirkt, wie bspw. von Anne genannt, dass mehr Frauen MINT Fächer studieren. Da habe ich Zweifel, dass heutige junge Frauen durch die Ansprache etc unbewusst von einem Mathestudium abgehalten werden, wenn andere Faktoren wie zB ihre Erziehung 1000fach schwerer wiegen.

Wenn jemand sagt, er sieht Gendern als reine Geste, die allein zB positives bewirkt, weil dieses Signal den betroffenen Gruppen signalisiert, dass sich die Welt mehr für sie öffnet: kein Widerspruch.

Andre
Master_Studie_Anne
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Re: Feierabendbier: Nora Beyer

Beitrag von Master_Studie_Anne »

Vielleicht habe ich mich auch nicht klar ausgedrückt, das tut mir leid: wir haben keine Langzeitstudien und die, die wir haben, obwohl statistisch relevant, können vielleicht nicht alle überzeugen. Das mit den MINT-Fächern, habe ich so aber tatsächlich nicht gesagt, ich sprach von einer Zukunft, in der das vielleicht stattfinden könnte ("vielleicht haben aber auch mehr Frauen MINT-Fächer studiert"), wenn man in einem frühen Alter mit dem priming anfängt. Das da noch ganz andere Faktoren wirken, muss klar sein und wenn ich so klang, als würde inklusive Sprache sofort alles besser machen und alle anderen Faktoren wie Erziehung, Umwelt und politisches System aussetzen lassen, dann tut mir das leid, was war nicht meine Absicht.

Ich bin ganz persönlich der Meinung, dass inklusive Sprache ein kleines Teilwerkzeug ist, um einer Gleichberechtigung von allen Personen näher zu kommen. Dass es eine so große "Genderdebatte" gibt, finde ich komisch, da ja niemandem etwas weggenommen wird, und sich manche Personengruppen mehr gesehen und wertgeschätzt fühlen (könnten). Was dann mit dieser sprachlich ausgedrückten Visibility und Wertschätzung passiert, vermag ich ganz persönlich nicht zu prognostizieren. In meiner Bubble gibt es auch keine "Genderdebatte" und auf mich wirkt das alles irritierend, so als ob nach dem Vorbild bestimmter us-amerikanischer Kulturkampf-Debatten auch hier Stimmung z.B. gegen Minderheiten gemacht werden soll. Für mich reagiert da Sprache auf eine Bewegung. Der Debatten-Charakter kommt imho (sehr sehr stark persönliches imho) von der Seite, die mir persönlich sagen möchte, dass das doof ist, ich als Frau bin mitgemeint und sowieso sind Sprachänderungen seit der Joghurt/Yogurt-Debatte blöd.
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Re: Feierabendbier: Nora Beyer

Beitrag von MaxDetroit »

Ich wäre ja immer noch für die Y-Methode nach Hermes Phettberg:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/en ... t-100.html

Für mich ist das Y-Gendern tatsächlich die Methode die am wenigsten "suboptimal" aussieht. :D

Aber am Ende des Tages ist die deutsche Sprache was das angeht vielleicht einfach schon zu verhunzt und nicht mehr reparierbar, vielleicht sollten wir alle einfach nochmal Esperanto aus der Schublade holen und das stattdessen sprechen.
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Felidae
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Re: Feierabendbier: Nora Beyer

Beitrag von Felidae »

MaxDetroit hat geschrieben: 12. Apr 2023, 16:23
Aber am Ende des Tages ist die deutsche Sprache was das angeht vielleicht einfach schon zu verhunzt und nicht mehr reparierbar, vielleicht sollten wir alle einfach nochmal Esperanto aus der Schublade holen und das stattdessen sprechen.
Oder halt eine oder mehrere der anderen Varianten akzeptieren als "nicht das ästhetische Nonplusultra, aber praktikabel".

Die deutsche Sprache ist ja ansonsten jetzt auch nicht generell dafür bekannt, mit schlichter Schönheit und Eleganz zu bestechen.
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Andre Peschke
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Re: Feierabendbier: Nora Beyer

Beitrag von Andre Peschke »

Master_Studie_Anne hat geschrieben: 12. Apr 2023, 16:14 Das mit den MINT-Fächern, habe ich so aber tatsächlich nicht gesagt
Sorry, ich wollte dir da nix in den Mund legen. Ich hatte den Satz hier so verstanden, dass du das als optimistische Möglichkeit mitdenkst:
Master_Studie_Anne hat geschrieben: 12. Apr 2023, 16:14Vielleicht hat das keine Auswirkungen, vielleicht haben aber auch mehr Frauen MINT-Fächer studiert oder sind Finanzfachberater*in oder Feuerwehrfrau geworden.
War einfach das erste Beispiel, dass mir in den Sinn kam, weil kurz vorher erst gelesen. Und es ist ja nichtmal unmöglich, in so einer "Butterfly-Effect"-Sichtweise. Am Ende werden wir eh nicht wirklich wissen, was aus all den vielen kleineren Variablen nun eingewirkt hat und was nicht.

Master_Studie_Anne hat geschrieben: 12. Apr 2023, 16:14 In meiner Bubble gibt es auch keine "Genderdebatte" und auf mich wirkt das alles irritierend, so als ob nach dem Vorbild bestimmter us-amerikanischer Kulturkampf-Debatten auch hier Stimmung z.B. gegen Minderheiten gemacht werden soll. Für mich reagiert da Sprache auf eine Bewegung. Der Debatten-Charakter kommt imho (sehr sehr stark persönliches imho) von der Seite, die mir persönlich sagen möchte, dass das doof ist, ich als Frau bin mitgemeint und sowieso sind Sprachänderungen seit der Joghurt/Yogurt-Debatte blöd.
Muss gestehen, in meiner Bubble auch nicht. Aber wir beobachten ja vermutlich alle, wie die Diskussion immer wieder durch die Medien geistert.

Ich finde aber, es ist zu stark simplifiziert, wenn man das ganze einfach mal auf Ignoranz schiebt. Da stecken ganz viele Faktoren drin. Stark sicher auch fehlende Einsicht im Wortsinne. Dass eine bestimmte - hier mit der maskulinen Form identisch kodierte - Ausdrucksform dich tatsächlich mit-meint, sehen halt viele als nicht schlimm. Auch, das ist mein Eindruck, viele Frauen, die ja Jahrezehnte lang diese Sprache genutzt haben, ohne dass ihnen das negativ auffiel. Das ist aber jetzt natürlich eher mein anekdotischer Eindruck und ich habe keine Ahnung, wie das Meinungsbild bei dem konkreten Fall in der (weiblichen) Bevölkerung ist.

Worauf ich eigentlich raus wollte, ist aber sowieso was anderes: Wenn ich in ein Zimmer komme und dir sage: "Steh bitte auf und setz dich da drüben hin, das ist inklusiver" und du siehst absolut nicht ein, was das bringen soll, dann wirst du vielleicht nicht direkt aufstehen und den Platz wechseln, auch wenn von dir nur ein minimaler Aufwand verlangt wird.

Nun ist die Aufforderung zum Gendern sicher erheblich weniger absurd, aber ich würde tippen, dass sich da etwas in Richtung der psychologischen Reaktanz abspielt. Wenn ich das richtig im Sinn habe, ging es bei frühen Experimenten zur Reaktanz u.a. nur darum, dass den Probanden vorgeschrieben wurde, welchen Knopf sie drücken sollen und schon "hassten sie diesen Knopf" (nur ulkig paraphrasiert). Da spielt sich also bei vielen Menschen auch IMO etwas sehr irrationales ab, weil sie zumindest empfinden, dass ein Zwang auf sie ausgeübt wird (ob der real existiert oder nicht, ist dabei egal).

Soweit meine Küchenpsychologie^^
Andre
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Blaight
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Re: Feierabendbier: Nora Beyer

Beitrag von Blaight »

Felidae hat geschrieben: 12. Apr 2023, 16:33
Oder halt eine oder mehrere der anderen Varianten akzeptieren als "nicht das ästhetische Nonplusultra, aber praktikabel".

Die deutsche Sprache ist ja ansonsten jetzt auch nicht generell dafür bekannt, mit schlichter Schönheit und Eleganz zu bestechen.
Ich finde das saugeil in der deutschen Sprache, dass man sich sehr differenziert ausdrücken kann, indem man komplexere Worte konstruiert. Finde das sehr elegant.
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bluttrinker13
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Re: Feierabendbier: Nora Beyer

Beitrag von bluttrinker13 »

Master_Studie_Anne hat geschrieben: 12. Apr 2023, 16:14 Ich bin ganz persönlich der Meinung, dass inklusive Sprache ein kleines Teilwerkzeug ist, um einer Gleichberechtigung von allen Personen näher zu kommen. Dass es eine so große "Genderdebatte" gibt, finde ich komisch, da ja niemandem etwas weggenommen wird, und sich manche Personengruppen mehr gesehen und wertgeschätzt fühlen (könnten). Was dann mit dieser sprachlich ausgedrückten Visibility und Wertschätzung passiert, vermag ich ganz persönlich nicht zu prognostizieren. In meiner Bubble gibt es auch keine "Genderdebatte" und auf mich wirkt das alles irritierend, so als ob nach dem Vorbild bestimmter us-amerikanischer Kulturkampf-Debatten auch hier Stimmung z.B. gegen Minderheiten gemacht werden soll. Für mich reagiert da Sprache auf eine Bewegung. Der Debatten-Charakter kommt imho (sehr sehr stark persönliches imho) von der Seite, die mir persönlich sagen möchte, dass das doof ist, ich als Frau bin mitgemeint und sowieso sind Sprachänderungen seit der Joghurt/Yogurt-Debatte blöd.
Ich glaube auch nicht, dass es da schon kausal saubere und verlässlichere Wirksamkeitsstudien gibt. (Falls doch, gerne mal Paperlink schicken) Meines Erachtens braucht es die aber gar nicht, denn man kann ja auch rein logisch für Vorteile argumentieren und dafür nur anekdotische Evidenz nutzen.

Ich unterrichte bspw einen Studiengang der "früher" in einen überwiegend männerbesetzten Berufszweig führte. Heute ist das anders, vor mir sitzen ca. 40-50% weibliche Studierende, die in der Praxis (bspw in Praktika) heute noch gegen so einige sexistische Vorurteile und Stereotype ankämpfen müssen. Vor ca. 2 Jahren habe ich angefangen, explizit zu gendern in meiner Lehre. Ich habe dann von weiblichen Studierenden (und nicht nur denen) mehrfach das Feedback per Evaluation bekommen, dass ihnen das positiv aufgefallen ist und das sie das toll finden weil sie sich dadurch etwas wohler und willkommener mit der ganzen Sache fühlen (in der Praxis ja manchmal eher noch das Gegenteil).
Und gerade dieser letzte Punkt ist es doch, was zählt. Wenn sich das nicht auch irgendwie positiv auf Abbrecherzahlen oder überhaupt eine langfristige Studienmotivation auswirkt, die ich natürlich nicht konkret beziffern kann, dann fress ich nen Besen. Insofern mache ich damit weiter und bin ermutigt, obwohl mir ehrlich gesagt gerade unter kognitivem Stress dann doch öfters wieder die männliche Form herausrutscht. Hinzu kommt: noch nie habe ich für das Gendern negatives Feedback erhalten in den (anonymen) Evaluationen. Mag also vielleicht manche nerven, aber kaum genug, dass es wert wäre, dahingehend kritisch zu kommentieren.

Bottom line: Hier geht es nur um meine Sprache als Dozent und ich habe festgestellt, dass sich (noch) unterrepräsentierte weibliche Studierende wohler fühlen wenn man explizit gendert, woraus man vorsichtig folgern könnte dass sich das positiv auf die Abschlusszahlen und damit letztlich auch auf die Frauenquote in ehemals "maskulinen" Berufen auswirkt. Was ich nur begrüßen kann. My 2 cents.
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Jochen Gebauer
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Re: Feierabendbier: Nora Beyer

Beitrag von Jochen Gebauer »

Blaight hat geschrieben: 12. Apr 2023, 10:20Das ist eben die Frage, was erfüllt einen wissenschaftlichen Zweck? Sind 1,5 Zeilenabstand, Arial Schriftgröße 12 tatsächlich sinnvoll?
Insofern sinnvoll, dass Platz für Korrekturen ist und sichergestellt ist, dass der Text für den Prof gut lesbar ist. Erscheint mir wie ein nachvollziehbarer Standard. Geschlechtsneutrale Sprache in einem Text, den am Ende eh höchstens eine Person liest (und die wahrscheinlich auch nur halb) erscheint mir hingegen wie eine Erziehungsmaßnahme. Fände ich hier deplatziert. Was anderes wäre es zum Beispiel, wenn die Hochschule sagte, wir verstehen uns als inklusive Einrichtung, in offiziellen Kommunikationen muss gegendert werden. Da hat das imho seinen Platz.
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Re: Feierabendbier: Nora Beyer

Beitrag von Rince81 »

Jochen Gebauer hat geschrieben: 12. Apr 2023, 17:39
Blaight hat geschrieben: 12. Apr 2023, 10:20Das ist eben die Frage, was erfüllt einen wissenschaftlichen Zweck? Sind 1,5 Zeilenabstand, Arial Schriftgröße 12 tatsächlich sinnvoll?
Insofern sinnvoll, dass Platz für Korrekturen ist und sichergestellt ist, dass der Text für den Prof gut lesbar ist.
Und es schafft Chancengleichheit, wenn beispielsweise für Hausarbeiten eine Höchstseitenzahl festgelegt ist.
Die "Gesendet von meinem HTC11 Life mit Tapatalk"-Signatur
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Re: Feierabendbier: Nora Beyer

Beitrag von Jochen Gebauer »

Rince81 hat geschrieben: 12. Apr 2023, 18:07Und es schafft Chancengleichheit, wenn beispielsweise für Hausarbeiten eine Höchstseitenzahl festgelegt ist.
Guter Punkt. Bei mir war's eher umgekehrt: Ich hab 8 Seiten, aber ich brauche 12 und kann nicht mit doppeltem Zeilenabstand tricksen. Also nochmal jeden Satz mit unnötigen Blähwörtern gefüllt und zwei Seiten Stating the Obvious, dann war der Prof happy :mrgreen:
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Re: Feierabendbier: Nora Beyer

Beitrag von bluttrinker13 »

Jochen Gebauer hat geschrieben: 12. Apr 2023, 18:15
Guter Punkt. Bei mir war's eher umgekehrt: Ich hab 8 Seiten, aber ich brauche 12 und kann nicht mit doppeltem Zeilenabstand tricksen. Also nochmal jeden Satz mit unnötigen Blähwörtern gefüllt und zwei Seiten Stating the Obvious, dann war der Prof happy :mrgreen:
Wenn ich sowas lese, schaudert es mich. Was war denn das für ein Prof? :mrgreen:

Bei uns gibt es im wiss. Schreiben eine Hauptkompetenz, die später auch dringend gebraucht und daher unterrichtet wird: sich klar und kurz zu fassen. Ist für die Meisten ungemein schwierig, zu Beginn.

Sorry for offtopic, aber das triggert mich hart, wenn "Kollegen" sowas propagieren. ;)

Edit: @Guthwulf, genau, Höchstbegrenzungen machen da schon viel mehr Sinn, und werden nicht selten sogar gerissen (weil man wenn man erst mal in einem Thema drin ist, schnell ins "Labern" kommt), wobei dann das Kürzen als Kompetenz zwangsweise erlernt werden muss. :)
Zuletzt geändert von bluttrinker13 am 12. Apr 2023, 18:43, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Feierabendbier: Nora Beyer

Beitrag von Guthwulf »

Jochen Gebauer hat geschrieben: 12. Apr 2023, 18:15
Rince81 hat geschrieben: 12. Apr 2023, 18:07Und es schafft Chancengleichheit, wenn beispielsweise für Hausarbeiten eine Höchstseitenzahl festgelegt ist.
Guter Punkt. Bei mir war's eher umgekehrt: Ich hab 8 Seiten, aber ich brauche 12 und kann nicht mit doppeltem Zeilenabstand tricksen. Also nochmal jeden Satz mit unnötigen Blähwörtern gefüllt und zwei Seiten Stating the Obvious, dann war der Prof happy :mrgreen:
Mindestanzahl an Seiten? *staun* Wie bizarr... Was für nen Studiengang oder Prof ist das denn bitte? ;) Bei uns an der Uni (TU Berlin) gabs damals nur ne Höchstbegrenzung (und natürlich Vorgaben an die Formatierung). Es gab unverbindliche Empfehlungen zum "Mindestumfang", aber wenn du deine Bachelor-, Diplom-, Doktor-Arbeit z.B. auf einer Seite hinbekommst, dann hätte sich niemand geweigert, die anzunehmen. In der Praxis ließen wir sogar bei der Höchstgrenze mit uns reden, wenn es überzeugende Gründe gab (Spoiler: gab es in 99% der Fälle nicht).
Zuletzt geändert von Guthwulf am 12. Apr 2023, 18:43, insgesamt 1-mal geändert.
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Guthwulf
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Re: Feierabendbier: Nora Beyer

Beitrag von Guthwulf »

bluttrinker13 hat geschrieben: 12. Apr 2023, 18:34Bei uns gibt es im wiss. Schreiben eine Hauptkompetenz, die später auch dringend gebraucht und daher unterrichtet wird: sich klar und kurz zu fassen. Ist für die Meisten ungemein schwierig, zu Beginn.
Gabs bei uns leider nicht... das wurde vorausgesetzt. Entsprechend sahen die Entwürfe auch immer aus. :lol:
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