vicsbier hat geschrieben: ↑5. Feb 2020, 09:46
Die Demokraten müssen sich jetzt fragen, was sie in den letzten vier Jahren erreicht haben. Die Liste könnte sehr umweltschonend sein, viel Tinte braucht es dafür jedenfalls nicht, vermultich kann sogar der Baum fürs Papier stehen bleiben.
Was sollen Sie in einer Präsidialdemokratie auch erreichen? Trump ist seit drei Jahren Präsident.
Ich habe vor der Wahl schon als einer der wenigen in diesem Lande gesagt, dass Trump gewinnen wird. Einfach weil ich Verwandte und Freunde in den USA habe, die die Probleme eindrucksvoll schildern. Die Wähler wollen kein "Weiter so" (Clinton), sie wollen einen "Change"( Obama) zum "Make America great again" (Trump). Die Städte verfallen, die Zahl der englischsprachigen sinkt, die Gutverdiener schotten sich ab und die Masse leidet.
Massiver Widerspruch. Ich habe Freunde und Bekannte in den USA ind bin jedes Jahr mehrere Wochen dort - primär im liberalen Kalifornien.
Ich denke, dass wir aus Deutschland aus die USA regelmäßig falsch beurteilen und falsch einschätzen - aber nicht so.
Die Wähler wollen eine Besinnung auf Amerika und seine Probleme.
Dann würden die Wähler anders wählen...
derFuchsi hat geschrieben: ↑5. Feb 2020, 09:55
Interessante Sichtweise. Für Menschen ohne direkte Beziehung zu den USA (Also vermutlich die meisten Deutschen) ist Trumps Erfolg nämlich nicht so recht nachvollziehbar und die einzige Begründung die einem einfällt ist "alles Idioten" analog zu AFD-Wählern hierzulande.
Ja und nein.
Ich hole mal den ganz breiten Pinsel raus und generalisiere kräftig. Das bitte immer im Hinterkopf haben.
Zum einen unterscheiden sich Amerikaner grundlegend in der Geisteshaltung von Europäern und damit auch uns Deutschen was ihr Verhältnis zum Staat, insbesondere den föderalen Teil in Washington DC angeht. Das ist historisch gewachsen. Zum einen durch den gesamten Unabhängigkeitskrieg, der gerade darum ging sich des großen Tyrannen in Form der englischen Krone zu entledigen und bereits die Gründungsväter der US-Verfassung hatten eine tiefe Skepsis gegenüber einem föderalen Staat und die Problematik der einzelnen Bundesstaaten vs. der föderalen Regierung ist immer wieder entscheidender Punkt für sehr heftige Streitigkeiten - die gesamte Waffenproblematik des 2. Verfassungszusatz steht in dem Punkt genauso wie die Einführung von Obamacare und der Bürgerkrieg zur Abschaffung der Sklaverei.
Hier ist es hilfreich sich vor Augen zu führen, dass die USA in der Gründung kein Bundesstaat waren, sondern historisch eher ein Staatenbund und sich dann erst zum Bundesstaat entwickelt hat.
Amerikaner verlassen sich wesentlich weniger auf den Staat als wir es in Europa tun. Die gesamte Selfmadementalität und der Traum vom Tellerwäscher zum Millionär leben - auch wenn sie zunehmend zur Illusion verkommen sind. Amerikaner sind generell sehr spendenfreudig und helfen sozial in ihrer Community und engagieren sich in ehrenamtlich, wesentlich mehr und offensiver als es z.B. Deutsche tun - völlig egal ob arm oder (super)reich. Wir haben eher die Mentalität, dass dies Aufgabe des Staates ist und wir dafür ja Steuern zahlen, in den USA ist es anders, da ist eher das Erheben von Steuern suspekt. US-Amerikaner leben mit der wirklich schrägen Situation, dass in den Läden nicht die Bruttopreise ausgeschrieben sind, sondern die Nettopreise vor der Sales Tax. Damit man auch direkt erkennen kann, welchen Teil der Staat kassiert - dafür sieht man nicht, was man an der Kasse bezahlen muss. Daher ist alles, was aus Washington angeordnet wird suspekt.
Dafür ist das, was die Amerikaner unter dem Sozialstaat verstehen ist Hardcore. Du musst bereits wirklich arm sein um dich für staatliche Hilfe zu qualifizieren und dann gibt es häufig nur Lebensmittelmarken und auch an diese Programme wollen die Republikaner die Axt legen. Du hast in den USA echte Armut, die wir uns in Deutschland so kaum als existent vorstellen können. Ebenso eine bewusste soziale Härte bei der wir auf die Barrikaden gehen würden weil es Selbstverständlichkeiten wie Elternzeit oder Lohnfortzahlung nicht generell gibt. Die USA agieren da teilweise bewusst auf Dritte Welt Niveau.
Die USA sind wesentlich religöser als wir, trotz offizieller Trennung von Staat und Kirche. Auch das ist historisch bedingt, die Pilgerväter, die vor der religösen Verfolgung geflohen sind, waren letztlich religöse Fanatiker und das waren nicht die einzigen, die sich von Europa aus in die USA aufgemacht haben... Spätestens als die Südstaaten den Krieg verloren haben, hat man sich dort in die Religion gestürzt - bis hin zum Ku-Klux-Clan, der christliche Symbole verwendet. Als Ergebnis haben wir den heutigen Bible Belt. Ich bin letztes Jahr mit dem Zug unterwegs gewesen, in einigen Regionen war es wirklich der Wechsel zwischen Kirche, Schießstand, Schrottplatz, Kirche, Schrottplatz, Kirche...
Es gibt nicht die USA. Letztlich nimmt das Land die Fläche eines Kontinents ein und der Background ist jeweils ein völlig anderer. New York ist so grundverschieden von New Orleans oder San Francisco, dass man sich manchmal wundert, dass es sich wirklich um das selbe Land handelt - wenn man nun Wyoming mit Florida vergleicht - das wäre als wenn sich Finnen und Spanier in einem Land wiederfinden...
Amerikaner sind überzeugt im Besten Land der Erde zu leben und eine Sonderstellung einzunehmen, "Shining City on the Hill". Zwar wird zunehmend Kritik am Exzeptionalismus laut - man riskiert dabei aber unmittelbare soziale Ächtung - siehe die Debatte um kniende NFL Spieler während der Nationalhymne.
https://de.wikipedia.org/wiki/Amerikani ... ionalismus
Und am Ende kommt Trump. Trump ist das Phänomen eines seit Jahren stattfindenden Kulturkriegs und meiner Meinung nach im Grunde keine Reaktion auf soziale Ungerechtigkeit sondern der Rückschlag, der auf die Wahl von Obama folgte.
Auch hier hilft ein Blick in die Historie, sei es der Genozid an der indigenen Bevölkerung, die Sklaverei, die Rassentrennung, systematischer Rassismus gegenüber Schwarzen und Latinos, etc., etc., etc. Die jüngere Geschichte der USA und die Entwicklung waren brutal und blutig. Im Kern kämpft die US Gesellschaft nach wie vor um die Definition dessen, was sie nun sind. Der Melting Pot mit Chancen für jeden oder eine primär europäisch weiße Gesellschaft. Dieser Kampf polarisiert die USA ins Extreme. Problem hierbei ist, dass die Republikaner hier durch das politische System im Vorteil sind und es momentan viel Skrupelloser Ausnutzen als es die Demokraten je getan haben mit dem primären Ziel alles Rückgängig zu machen was Obama erreicht hat und sicherstellen, dass sich sowas nicht wiederholt. Dieser kulturelle Riss geht quer durch die Familien - entweder blendet man Politik als Gesprächsthema aus oder redet überhaupt nicht mehr miteinander.